Hochwasser: evakuierte Anwohnende können teilweise wieder in ihre Wohnungen zurück

Meldung 26.08. - 17.00

pid. Während die Räumungsarbeiten in allen Schadengebieten der Gemeinde Bern noch voll im Gange sind, hat bereits die sogenannte Phase der „Rückführung“ begonnen. Die Einsatzkräfte schätzen die Lage im Moment so ein, dass zur Zeit nicht mit einem erneuten, grösseren Anstieg des Pegelstandes der Aare gerechnet werden muss.

Rückgabe der Liegenschaften in der Matte
In dem am meisten betroffenen Mattequartier sollen die evakuierten Liegenschaften möglichst rasch, aber sicher den Hauseigentümern zurück gegeben werden. Die Übergabe erfolgt abschnittsweise und strukturiert durch die Polizei. Dabei geht es vorallem darum, das Eigentum der Betroffenen zu schützen. Alle Liegenschaften, die nun den Eigentümern zurückgegeben werden, wurden vorgängig durch Ingenieure bezüglich der Statik überprüft und als unbedenklich eingestuft. Im Moment kann in den Häusern bei weitem noch nicht wie gewohnt gelebt werden: Die privaten Toilettenanlagen dürfen nicht benützt werden, an diversen Standorten wurden deshalb Toilettenkabinen aufgestellt. Die Strom- und Gaszufuhr zu den einzelnen Liegenschaften musste aus Sicherheitsgründen abgestellt werden.
Um einerseits die Räumungs- und Instandstellungsarbeiten der Einsatzkräfte nicht unnötig zu behindern, andererseits die Anwohnenden vor „Katastrophentouristen“ zu schützen, bleibt die Matte nach wie vor Sperrzone. Das heisst, nur die Anwohnenden werden in die Matte eingelassen – sie müssen sich bei den polizeilichen Sperrposten mit einem amtlichen Ausweis ausweisen.
Für die Aufräumarbeiten in den Liegenschaften werden den Bewohnern Schuttmulden zur Verfügung gestellt – diese wurden, bzw. werden in den Schadengebieten aufgestellt.
An der Informationsstelle am Läuferplatz und beim polizeilichen Kontrollposten auf der Aarstrasse stehen Mitarbeitende des Care Teams Bern den Bewohnerinnen und Bewohnern für Begleitung und psychologische Betreuung zur Verfügung.
Geschädigte aus der Gemeinde Bern können sich weiterhin an das Sorgentelefon der Stadtpolizei Bern wenden: 031 321 22 22. Geschädigte aus anderen Regionen wenden sich an die entsprechende Gemeinde.


Öl- und Benzingeruch
Im Moment riecht es hauptsächlich in der Matte nach Benzin und Öl – dieser Geruch ist in einer solchen Situation normal und gibt nicht Anlass zur Beunruhigung. Das Wasser hat Autos überflutet, Keller überschwemmt – jetzt, beim Abfliessen, bleiben Öl- und Benzinrückstände zurück und riechen entsprechend. Die Ölwehr-Equippe der Beufsfeuerwehr Bern steht, unterstützt durch Armeeangehörige, im Einsatz, um das Problem zu beheben.

Freigabe der gesperrten Strassen
Nicht nur die Gebäude, auch die Strassen werden nach den Aufräum- und Reinigungsarbeiten von Fachleuten auf allfällige Schäden durch Unterspülungen kontrolliert. Erst nach dieser Sicherheitskontrolle können sie freigegeben werden.

Bis heute Freitag Mittag konnten die Sulgeneckstrasse, Sandrainstrasse, Marzilistrasse, Dalmazibrücke und die Schwellenmattstrasse für den privaten und öffentlichen Verkehr geöffnet werden.

Uferwege nach wie vor gesperrt
Auch wenn die Uferwege vielleicht dem einen oder anderen nicht mehr besonders gefährlich erscheinen mögen: Die Gefahr ist nicht zu unterschätzen! Es ist streng verboten, gesperrte Uferwege zu betreten. Es besteht die Gefahr, dass diese unterspült wurden. Wer abgesperrte Uferwege betritt, begibt sich unter Umständen in Lebensgefahr. Sobald die Uferwege kontrolliert und sicher sind, wird die Stadtpolizei Bern informieren.

Keine Bootsfahrten und Wellenbrettabenteuer auf der Aare
Bereits haben die ersten, sich wohl sehr mutig vorkommenden Personen die Aare mit dem Boot befahren. Auch diese Personen handeln äusserst leichtsinnig, um nicht zu sagen dumm. Sie begeben sich in Lebensgefahr: Die Aare ist nach wie vor unberechenbar. Wenn jemand in Not gerät, dürfte eine Rettung praktisch unmöglich sein. Die Stadtpolizei Bern warnt dringend vor irgendwelchen vermeintlichen Abenteuern in und auf der Aare.

Die Einsatzkräfte werden ihre Arbeiten in den Schadengebieten auch über das Wochenende uneingeschränkt und mit voller Kraft vorantreiben. Da die Stadtreinigung ihre Kapazitäten momentan hauptsächlich auf die Schadengebiete konzentriert und dort die dringend notwendigen Reinigungsarbeiten vornimmt, erfolgt die Reinigung der übrigen, schadenfreien Gebiete der Stadt momentan in etwas reduziertem Ausmass. Wir bitten die betroffenen Geschäfte, Büros und Anwohnerinnen und Anwohner um Verständnis.

Polizeikommando der Stadt Bern

Sandsäcke im Altenberg

Das Dokument "Hintergrundinformationen zum Hochwasser" als PDF-Datei

Hochwasser: Situation momentan stabil, 26.08./05.00

pid. Die Situation in der Berner Matte ist nach der gestrigen Entschärfung auch während der Nacht stabil geblieben. Den Einsatzkräften war es gestern Donnerstag gelungen, 480m3 Treibholz aus der Schwelle zu entfernen. Dies bewirkte eine gewisse Entschärfung im Mattequartier – das Wasser floss nicht mehr als reissender Fluss durch das Gebiet. Damit sich nicht sofort wieder grosse Mengen Schwemmholz in der Schwelle ansammeln konnten, haben die Einsatzkräfte eine spezielle Beleuchtung angebracht. Diese ermöglichte während der Nacht eine gezielte Kontrolle der Situation bei der Schwelle. Wenn sich grosse Mengen Treibholz angesammelt hätten, wäre ein sofortiges Eingreifen und Handeln möglich gewesen. Heute Freitag Morgen werden die Einsatzkräfte ihre Arbeiten im Bereich der Schwelle fortführen und weiteres Treibholz aus der Aare entfernen.
Die Aare führt seit gestern Donnerstag konstant zwischen 510 und 520 Qubikmeter Wasser pro Sekunde. In Thun versperrt nach wie vor Treibholz den Abfluss der Aare. Es ist deshalb nicht auszuschliessen, dass der Pegelstand in Bern wieder ansteigt, sobald dieses Problem behoben ist.
Auch während der vergangenen Nacht wurden die Räumungs- und Reinigungsarbeiten in allen Schadengebieten fortgesetzt.

Polizeikommando der Stadt Bern

Altenberg

Hochwasser – Phase der „Rückführung“ (Stand Freitag, 26. August 2005 / Nachmittags)

Stadtpolizei Bern
Mediendienst

Generelle Information

Während die Räumungsarbeiten in allen Schadengebieten der Gemeinde Bern durch die Einsatzkräfte noch voll im Gange sind, hat gleichzeitig die Phase der „Rückführung“ begonnen.
Die Einsatzkräfte schätzen die Lage im Moment so ein, dass mit einem erneuten grösseren Anstieg des Pegelstandes der Aare zur Zeit nicht gerechnet werden muss. Für die meisten der Betroffenen heisst dies, dass nur das Grundwasser Einfluss auf den Wasserstand in den Gebäuden hat.

In dem am meisten betroffenen Mattequartier geht es darum, die Liegenschaften den Hauseigentümern zurück zu geben. Bevor die Liegenschaften wieder belebt werden können, müssen Besitzer und Mieter zwingend verschiedene Massnahmen ergreifen.

Garten im Altenberg

Hochwasser August 2005:

Information des Matte-Leists an die Bevölkerung

Stand: 26. August 2005 (Nachmittag)

Wichtige Mitteilung:
Zur Zeit können die Liegenschaften in der Matte nicht ohne Begleitung der
Einsatzkräfte betreten werden. Vor einer Rückgabe der Liegenschaften an die
Besitzer müssen eingehende Kontrollen durch Ingenieure und Statiker
stattfinden. Zudem bestehen vor den Gebäuden und in den Strassen nach wie
vor teilweise unsichtbare Gefahren.
Bewohnerinnen und Bewohner der Matte sowie Gewerbetreibende können Ihre
Bedürfnisse beim Infopoint am Läuferplatz anmelden und werden auf eine
Warteliste gesetzt. In Begleitung der Einsatzkräfte wird es dann möglich sein,
das Dringendste aus den Liegenschaften zu holen.

Das vollständige Dokument als PDF-Datei

Reinigungswagen im Altenberg

Keine Gaffer

Es ist nicht lustig, sich im Elend zu zeigen - und es ist auch nicht lustig wenn Gaffer die Aufräumarbeiten behindern ... Ich weiss viele Gaffer fühlen sich hilflos und wollen helfen - Sie helfen aber mehr, wenn sie sich zurückziehen. Und die Mätteler sind keine Affen im Käfig.

mobile Einsatzzentrale auf dem Läuferplatz

Beitrag BZ Pascal Schwendener vom 26.08.05

«Keiner versichert mich mehr»
Nach drei Hochwasserschäden in sechs Jahren findet Katrin Dällenbach keine Versicherung mehr, die ihren Laden an der Gerberngasse versichern will. Andern geht es ähnlich. Zieht das Gewerbe nun ganz aus der Matte?
1999 stand das Wasser im Erotik-laden Planet Love hüfthoch. 2004 wars vergleichsweise nur eine Pfütze. Und doch betrug die Schadenssumme noch immer 30 000 Franken. Die Zürich-Versicherungsgesellschaft übernehme den Schaden vollumfänglich, hiess es in einem eingeschriebenen Brief vom 19. November 2004 an Planet-Love-Besitzerin Katrin Dällenbach. Doch neben der guten Nachricht fand sie noch eine schlechte im Couvert: Die Zürich mache, da sie einen Schaden zu berappen habe, hiermit vom Kündigungsrecht Gebrauch.

Ein Leben ohne Sicherheit
« Ich konnte nicht glauben, was ich da las», sagt Katrin Dällenbach. Sie erkundigte sich bei ihrem Agenten, ob nicht die Möglichkeit bestehe, eine neue, mit höheren Risiken verbundene Versicherung abzuschliessen. «Ich schlug vor, Prämien und Selbstbehalt zu erhöhen», sagt sie. Doch der Mann von der Zürich, winkte ab. Am Schluss war Dällenbach sogar bereit, den Schadensposten Wasser aus der Police herauszunehmen. Doch auch auf diesen Vorschlag stieg die Versicherung nicht ein. Die Kündigung war unabwendbar.

Nach dem ersten Schock griff Katrin Dällenbach zum Telefon und kontaktierte weitere Versicherungsgesellschaften. «Acht bis zehn» Aussendienstmitarbeitern beschrieb und zeigte sie das risikobehaftete Ladenlokal an der Gerberngasse. Aber alle schüttelten nur den Kopf. «Keiner machte mir eine Offerte», erzählt Katrin Dällenbach, «Absage kam nach Absage». Und Ende Jahr traf ein, was die Unternehmerin nie für möglich gehalten hätte: Sie stand ohne Versicherung da. Wäre ihr Laden in jener Zeit überflutet worden, wäre Feuer ausgebrochen oder eingebrochen worden, sie hätte selber für den Schaden aufkommen müssen. Erst zwei Monate später, Ende Februar, konnte Dällenbach ihr Geschäft bei der Helvetia Patria neu versichern. Gerade noch rechtzeitig, wie sich herausstellen sollte.
Denn am Montag kam das Hochwasser erneut. Als Katrin Dällenbach nach dem Feuerwehralarm im Morgengrauen zu ihrem Geschäft eilte, war es bereits zu spät. «Das Wasser stand schon derart hoch, dass ich nicht mehr bis zum Laden durchkam», erzählt sie. Dällenbach kämpfte sich zurück zu ihrer Wohnung im ersten Stock eines benachbarten Hauses und musste von dort mit ansehen, wie ihr Planet Love langsam aber unaufhaltsam in den Fluten unterging, bis nichts mehr von ihm zu sehen war. «Die Ohnmacht in dieser Situation machte mich psychisch fertig», sagt sie. «Aber immerhin war ich sicher, dass Sachschaden und Betriebsausfall gedeckt sind.»

Die Gewerbler ziehen weg
Auf die Frage, ob sie ihr Geschäft wieder aufbauen will, antwortet Katrin Dällenbach: «Sicher, aber niemals mehr in der Matte.» Drei Hochwasser in sechs Jahren genügten ihr. «Und ausserdem hat meine Versicherung deutlich gemacht, dass auch sie das Lokal an der Gerberngasse kein weiteres Mal mehr versichern wird.»


Andere Gewerbler sähen sich in der gleichen Situation. «Die Folge ist absehbar: Weil kein Gewerbler so ein Risiko selber tragen kann, wird das Quartier punkto Gewerbe langsam aussterben.»

Quartier ohne Zukunft?
Ebenerdige Geschäftsräume in der Matte sind ein «schlechtes Risiko», wie es im Jargon der Versicherer heisst. Das weiss auch Versicherungsexperte Ruedi Ursenbacher von der Fairsicherungsberatung. «Betriebe in Aare-Nähe haben es zunehmend schwer», sagt er. Die Gewerbler müssten zwar nicht unbedingt mit der Kündigung ihrer Versicherung rechnen, aber «mehr Prämien und massiv höhere Selbstbehalte» seien absehbar. Wenn dann zusätzlich die Banken ihre Kreditpolitik verschärften, seien Matte-Betriebe bald nicht mehr konkurrenzfähig. «Rückstellungen für solche Fälle hat ja kaum jemand. Und wer sie hat, braucht sie fürs Promoting bei der Neueröffnung.» Doch damit nicht genug. Ursenbacher nimmt an, dass die Liegenschaften in der Matte an Wert verlieren und die Prämien bei der Gebäudeversicherung ansteigen. «Die ökonomischen Folgen der Fluten sind noch gar nicht absehbar», sagt er.


Fotos auf dieser Seite von Thomas Eberhard aus dem benachbarten Altenbergquartier